18.11.2024
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,
heute versammeln wir uns hier, um gemeinsam den Volkstrauertag zu begehen – einen Tag des Gedenkens, der Trauer und der Besinnung. Wir erinnern uns an die Menschen, die im Krieg und durch Gewaltherrschaft starben. Für die unter uns, die selbst noch Angehörige im Krieg verloren haben, ist dieser Tag besonders wichtig und besonders traurig.
Am 17. November 2024 stehen wir zusammen, um all jener zu gedenken, die ihr Leben in Kriegen und Gewalthandlungen verloren haben, sowie derjenigen, die unter den Folgen von Krieg und Gewalt leiden mussten.
In unserer Gemeinde Friedewald sind wir stolz auf unsere Traditionen und unseren Zusammenhalt. Doch an Tagen wie diesen werden wir daran erinnert, dass Frieden kein Selbstverständnis ist.
Er ist ein kostbares Gut, das es zu bewahren gilt. Wir gedenken nicht nur der Gefallenen, sondern auch der Überlebenden – derer, die mit den Narben des Krieges leben müssen und deren Geschichten oft im Schatten der Geschichte verborgen bleiben.
Lassen Sie uns innehalten und darüber nachdenken, was es bedeutet, in Frieden zu leben. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg; er ist das Ergebnis von Verständnis, Respekt und Toleranz. In einer Welt, die oft von Konflikten geprägt ist, liegt es an uns allen, Brücken zu bauen und für ein harmonisches Miteinander einzutreten.
Am 7. Oktober 2023 erschütterte uns die Nachricht von dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine Zivilbevölkerung. Viele Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen drückten daraufhin unter dem Motto „‚Nie wieder‘ ist jetzt“ ihre Solidarität, aber auch ihre Sorge vor einem zunehmenden Antisemitismus aus. Teil des Kalküls der Hamas war es, nicht nur in der Bevölkerung Israels, sondern auch im gesamten Gazastreifen unvorstellbares Leid zu verursachen. Die zynische Hoffnung der Terroristen, so weltweit den Hass auf Jüdinnen und Juden anzufachen, ist fatalerweise aufgegangen, da Falschinformationen zu oft unkritisch Glauben geschenkt und der Hetze damit Vorschub geleistet wird. Das haben leider auch Ereignisse in Deutschland gezeigt, die vor dem Hintergrund unserer Geschichte mit einer friedlichen demokratischen Zukunft unvereinbar sind.
Durch unser Gedenken am Volkstrauertag an die weltweiten Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wollen wir die Erinnerung an die Schrecken des Krieges wachhalten und somit Kriegen und Gewaltherrschaften aktiv entgegentreten. „Nie wieder“ heißt also nicht nur, sich an die Vergangenheit zu erinnern, sondern bedeutet vielmehr, dem Hass heute entschlossener denn je entgegenzutreten. Es bedeutet auch, Falschinformationen als solche zu benennen und sich an die Seite derer zu stellen, die Angriffen ausgesetzt sind. Zu lange haben wir uns darauf verlassen, dass die Sicherheitsorgane allein Gefahren für unsere Demokratie abwehren. Aber angesichts der zunehmenden Schärfe und Härte im politischen Diskurs und der Fülle an Falschinformationen heißt das: Als eine Gesellschaft, der Demokratie, Menschenrechte und die Würde jedes einzelnen Menschen wichtig sind, müssen wir resilienter werden. Eine engagierte, widerstandsfähige Gesellschaft und eine stabile, der Wahrheit verpflichtete Demokratie bedingen einander.
Die Kriegerdenkmäler und Ehrentafeln und der damit verbundene Versöhnungsgedanke leisten dabei einen wichtigen Beitrag. Als letzte und unumkehrbare Folge von Hass, Hetze und Gewalt mahnen diese Denkmäler zum Frieden und zur Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte. Die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges und der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verstummen nach und nach und deshalb ist es so wichtig, dass sich die junge Generation für die Erinnerung an das Grauen des Krieges einsetzt und sie wachhält. Umfragen zeigen, dass das Interesse junger Menschen an der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gestiegen ist. Das verhindert aber nicht, dass zu viele ihre Informationen aus diversen Medien beziehen, in denen Falschinformationen bewusst und zielgerichtet verbreitet werden. Die Gefahr, billigem Populismus im Wahlkampf in die Falle zu gehen, ist erheblich. Es gilt also, selbstbewusst und auf Augenhöhe den Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Generationen zu fördern und verstärkt historisch-politische Bildungsarbeit zu betreiben, die aufklärt und bereit ist zum Dialog – nur so wird aus dem Schlagwort „Nie wieder“ ein konkretes Tun. Warnen und Mahnen reicht nicht, Handeln ist angesagt. So verteidigen wir die europäischen Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Respekt und Toleranz gegen die Angriffe ihrer Feinde. Ob es nationalistische Populisten in Europa sind oder der russische Diktator Wladimir Putin, der seit fast drei Jahren seinen mörderischen Krieg gegen die Ukraine führt: Sie alle eint, dass sie die Angst vor genau diesen Werten antreibt. „Nie wieder“ muss daher auch heißen, nicht die Angst zu unserer politischen Ratgeberin zu machen, sondern sich jeden Tag, nicht nur am Volkstrauertag, selbstbewusst und klar zu den europäischen Werten zu bekennen und so das demokratische Europa zu verteidigen. Das ist die Botschaft jedes einzelnen Kriegsgrabes an uns.
Totengedenken
Ich darf Sie nun bitten, den Toten mit mir zu gedenken:
„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräften, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind. Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“